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1. Anfänge
1968 wurde mit der Gründung der damaligen Sektion "Physik für den Wissenschaftlichen Gerätebau" der Friedrich-Schiller-Universität Jena (FSU) (ab 1971 Sektion Physik) zugleich eine Abteilung Detektorenphysik gegründet. Dem lag die Erwartung eines Vorlaufbedarfs des VEB Carl Zeiss Jena hinsichtlich neuartiger Detektoren naturgemäß im optischen Bereich zugrunde. Wir suchten folglich zunächst nach wissenschaftlich anspruchsvollen Problemstellungen von Interesse für den Gerätebau, die zugleich noch nicht von anderen Gruppen im Lande bearbeitet waren. Dies führte uns von der Minimierung des Rauschens von Detektoren zum Betrieb bei tiefen Temperaturen, zu supraleitenden Bolometern, bestrahlten Josephson-Kontakten (der Josephson-Effekt war damals kurz vorher entdeckt worden) zu von zunächst unter dem Mikroskop gekratzten SQUIDs (Superconducting Quantum Interference Device).

Wir hatten damals in Jena keine Vorkenntnisse in der Physik der Supraleitung, keine Tieftemperatur-Technik und vor allem kein flüssiges Helium. Hier halfen uns die Dresdener Kollegen von der Arbeitsstelle für Tieftemperaturphysik der Akademie der Wissenschaften (AdW) unter Ludwig Bewilogua.

Als erstes war es nötig, das bis dahin akkumulierte experimentelle und theoretische Wissen zu sammeln und für unsere Zwecke aufzuarbeiten. Das Ergebnis war unsere „Josephson-Bibel“, die fast jedes Mitglied unserer Abteilung zur Verfügung hatte. Innerhalb eines halben Jahres hatten wir die wichtigsten Besonderheiten der Supraleitungsphysik 1 verinnerlicht. Stark vereinfacht dargestellt waren dies:

*Unterhalb einer tiefen so genannten kritischen Temperatur kondensieren die Festkörperelektronen in der Umgebung der Fermigrenze durch die (virtuelle) Elektron-Phonon-Wechselwirkung zu Elektronenpaaren. Diese Paare folgen nicht der Fermi-Statistik, sondern der Bose-Statistik. Sie bevölkern demnach einen einzigen Zustand an der Fermigrenze.
*Die Elektron-Phonon-Wechselwirkung hat eine begrenzte Reichweite. Durch sie wird im Wesentlichen die sog. Kohärenzlänge bestimmt, die materialabhängig höchstens einige µm betragen kann.
*In eine geschlossene supraleitende Struktur - z.B. einen Ring - kann ein äußeres unterkritisches Magnetfeld nicht eindringen. Das äußere Feld erzeugt einen Abschirmstrom. Nur an einer schwachen Stelle der Struktur (Josephsonkontakt) kann das Magnetfeld in den Ring bei Änderung nur quantisiert ein- oder austreten. Die Flussquanten sind Naturkonstanten mit dem Wert h/2e (h Plancksches Wirkungsquantum, e Elementarladung des Elektrons).
*Schwache Stellen einer Ringstruktur wurden in der ersten Zeit durch mechanisch justierte Punktkontakte an der Spitze einer feingängigen Schraube (Zimmerman-Kontakt), später durch Mikrobrücken oder Tunnelkontakte hergestellt (Bild 1, SQUID schematisch).
 
 
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Bild 1: Dc-SQUID mit 2 Josephson- Kontakten (JJ). Der Abschirmstrom Isc ergibt sich aus dem magnetischen Fluss, der die SQUID-Fläche A mit der Induktivität L durchsetzt. Der Betriebsstrom IB setzt sich aus den Teilströmen über den JJ zusammen
Wird der Ring durch eine aufgedampfte dünne Schicht realisiert, müssen Mikrobrücken Dimensionen einiger 100 nm haben. Tunnelkontakte benötigen Isolatorschichtdicken von ca. 2 nm. Hier haben wir es mit einer echten Nanotechnologie zu tun, an die wir uns Ende der 60er Jahre forschend begannen heranzuarbeiten (z.B. Nb/Al AlO/Pb), aber an deren stabile, elektrisch dichte Realisierung so schnell nicht zu denken war.

Besonders wichtige Aktivitäten entwickelten in dieser Phase und auch weiterhin Klaus Blüthner (dünne Schichten), Wolfgang Richter (SQUID-Design), Joseph Müller und Wolfram
Krech (Verfeinerung der genannten theoretischen Grobansätze, Wechselwirkung zwischen Supraleitern und Strahlungsfeldern).

Bereits um 1969 machte Wolfgang Richter den Vorschlag, SQUID-Strukturen aufzudampfen und die kritischen Dimensionen der Mikrobrücken unter dem Mikroskop zu kratzen, um auf diese Weise mit Dünnfilm-SQUIDs experimentieren zu können. Dann gingen wir dazu über, die SQUIDs mit Brückenkontakten nach allen Regeln der experimentellen Kunst zu perfektionieren: zunächst mit Photolithographie, dann mit Elektronenstrahllithographie. Bestärkt wurden wir darin durch den um 1969 aufkommenden Trend zu einer Supraleitungs-Mikroelektronik (oder Mikrokryoelektronik) in der Erwartung einer gegenüber Halbleiteranordnungen schnelleren und dichter gepackten Elektronik, bei der MikroSQUIDs als Speicherelemente eine wichtige Rolle spielten. In dieser Phase war unsere Zusammenarbeit mit dem Kombinat Robotron Dresden (KRD) und dem Kombinat Carl Zeiss Jena (KCZ), dem Institut für Kybernetik Kiew (IKK) der Ukrainischen Akademie der Wissenschaften sowie dem Röhrenwerk Neuhaus (RWN) entscheidend. Speziell mit dem RWN wurden sämtliche photolithografischen Arbeiten abgewickelt. Dies wurde durch Hans-Joachim Köhler äußerst gewissenhaft koordiniert, der selbst seine wissenschaftlichen Projekte dort einbettete, z.B. Analog-Digital- und Digital-Analog-Umsetzer (DAU) mit bis zu zehntausenden Bauelementen.2 Das lieferte später auch seinen Einstieg in das Josephson-Spannungsnormal, das in den achtziger Jahren das erste Normal dieser Art in den damaligen sozialistischen Ländern war. Aus der Verbindung mit RWN resultierte auch die Bezeichnung unserer Strukturen als UJ xyz (Universität Jena). Die Einbeziehung der Elektronenstrahl-Lithografie wurde durch Peter Pertsch in Wechselwirkung mit Carl Zeiß zunächst mit Hilfe eines aufgemöbelten Zeiss-Rastermikroskopes vorangetrieben. In dieser Boom-Phase der Mikrokryoelektronik wurde darüber hinaus an supraleitenden Schieberegistern zusammen mit Wilfried Andrä und Felix Lange3 sowie an magnetooptischen Speicheranordnungen zusammen mit Hans-Joachim Pohl4 gearbeitet. Ebenso wie für den DAU wurden diesbezügliche Patente angemeldet und erteilt, aber Publikationsreife erlangten wir damit nicht.

Ca. 1974 stieg der damalige Weltmarktführer IBM aus der Mikrokryoelektronik aus und damit auch unser diesbezüglicher Partner Robotron. So hatten wir zwar mit ziemlich guten Ergebnissen (z.B. Erstanwendung der E-Lithographie bei konkreten Bauelementen der Mikroelektronik und dadurch mögliche Strukturdimensionen im Submikrometerbereich) an diesem Rennen teilgenommen, aber gegen die Halbleiter-Mikroelektronik verloren.  
 
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Bild 2: Supraleitungsbolometer (Originalskizze von A. Reichmann)
Parallel dazu verfolgte Alfred Reichmann das Ziel, supraleitende Bolometer höchster Nachweisempfindlichkeit zu kultivieren (Bild 2). Insbesondere durch raffinierte thermische Stabilisierung des Arbeitspunktes einer mäandrierten Schicht an der Grenze von Supraleitung zur Normalleitung wurde die theoretische Grenze der Detektivität nahezu erreicht: sie entsprach, wie Igor Dmitrenko abschätzte, der Sichtbarkeit einer 100 W- Glühlampe in 500 km Entfernung. Aber die umständliche Kühlung mit flüssigem He verhinderte eine Applikation in Zeiß-Geräten und bei anderen Anwendungen. Verwertbare Detektoren hat Zeiß von uns nicht erhalten, dafür aber eine Technologie zur Herstellung hochebener Photoplatten für die optische Lithographie, die damals aus Gründen höherer Produktivität dringend gebraucht wurden und die von Franz Klapper ausgearbeitet worden war. Dafür entstand der erste Reinraum Jenas im Altbau des Physikalischen Instituts. In diese Phase fällt auch die Investition des damals modernsten He-Verflüssiger von BOC.

Während die Maschine ca. 300 000 Mark kostete, mussten der Bau und die Peripherie im Wert von ca. 12 Mio. Mark im Wesentlichen aus unbilanzierten Quellen der FSU und ihrem Umfeld aufgebracht werden. Dieses Gesamtgeschäft besorgte vor allem Hannes Nowak mit größter Umsicht und raschem Erfolg.
 
 

Literatur

 
    1. Buckel, W. / Kleiner, R: Supraleitung, 6.Aufl., Weinheim: Wiley - VCH, 2004 Buckel,
    W.: Supraleitung, 1. Aufl., Weinheim, Physik Verlag GmbH, 1972

    2. Albrecht, G. / Köhler, H. - J. / Müller, J.: Digital - Analog - Umsetzer,Patentschrift
    Nr. 92 481 v. 06.04.1971

    3. Albrecht, G. / Andrä, W. / Lange, F. / Müller, J.: Verschiebespeicher, Patentschrift
    Nr. 107 540 v. 05.08.1974

    4. Albrecht, G. / Pohl, H. - J. / Müller, J.: Magnetooptische Speicheranordnung, Patentschrift
    Nr. 108 164 v. 05.09.1974
 
 
 

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